Zur Kommunalwahl 2020 in Nordrhein-Westfalen haben sich einige methodische Erneuerungen bei uns ergeben. In diesem Artikel möchten wir darauf transparent eingehen und Konsequenzen erläutern.
Wandel an sich kann man sowohl positiv als auch negativ sehen. Je nachdem, welchen Konsequenzen sich daraus für einen selbst ergeben. Bei uns hier ist das nicht anders. Manche Veränderungen bereiten uns Kopfschmerzen, andere wiederum stimmen uns sehr zuversichtlich. In jedem Fall schulden wir euch, liebe Freund:innen des Wahlorakels, eine ausführliche Erklärung.
Eine fundamentale Veränderung war uns schon zu Beginn unserer Vorbereitungen klar – ein unterschiedliches Wahlrecht. Während in Bayern und Baden-Württemberg, unsere früheren Vorhersagen, ausschließlich über Listen gewählt wird, gibt es in NRW einen Mix aus 50% direkt in Wahlkreisen gewählten Mitgliedern und 50% Mitglieder via Reserveliste der Liste. Das bedeutet, wir müssen sowohl Direkt-Gewinner:in jedes einzelnen Kommunalwahlbezirks ermitteln als auch die Parteistimmen aggregieren um so den „theoretischen“ Anteil an Sitzen einer Partei ermitteln zu können. Sollte der theoretische Anteil nicht dem Anteil an direkt gewählten Stadträt:innen entsprechen, rücken Kandidat:innen auf den Reservelisten nach. Dieses zweistufige Berechnen ist neu und sollte kaum Auswirkungen auf die Qualität unserer Vorhersage haben, denn mit unserem mikro-basierten Ansatz, die Stimmen jeder/s einzelnen Kandidat:in zu schätzen, können wir plausibel summieren und evaluieren.
Doch nicht alles lässt sich so problemlos beheben. Das spüren wir insbesondere bei den personenbezogenen Daten. Die Datenlage ist nicht so erbauend, wie bei vorherigen Wahlen. Angaben zu Vornamen von Kandidierenden sind oft nicht vorhanden, was es uns erschwert Rückschlüsse auf Geschlecht, ethnischen Hintergrund sowie persönliche Bekanntheit zu ziehen – beispielsweise gibt es in Essen einige „Schmidts“ was es nahezu unmöglich macht den oder die Richtige/n zu finden. Viele wichtige Informationen, die unsere Vorhersage qualitativ gut gewürzt haben fehlen.

Neue Wege tun sich auf
„Wege“ sind tatsächlich eine gute Überleitung zu einer signifikanten Erweiterung unseres Modells zur NRW Wahl. Die Einteilung in Wahlkreise ermöglicht es uns, den sozioökonomischen Mikrokosmos in einer Nachbarschaft besser zu fassen. Bisher war immer explizite Annahme, dass alle Teilorte einer Stadt sich gleich verhalten. Offensichtlich ist das eine unplausible Annahme, aber eine die wir treffen mussten, da die Menschen in Bayern nicht nach Wahlkreisen wählen sondern Kandidaten aus der ganzen Stadt.
In unserer jetzigen Version, haben wir alle Wahlbezirke und Stadtzentren als Geodaten notiert um daraus die Distanz zu errechnen. Diese Distanz kann beispielsweise Phänomene wie Gentrifizierung oder Selbsteinordnung nach sozialen Schichten besser greifen. Auch der Unterschied im Wahlverhalten zwischen urbanen und ländlichen Teilen einer Gemeinde kann so besser vorhergesagt werden. Darüber hinaus haben wir auch die Distanzen jedes Wahlbezirks zu Universitäten und Gefängnissen in der Gemeindegemarkung errechnet und hoffen so bessere Rückschlüsse auf das soziale Milieu eines Wahlkreises ziehen zu können.
Wir haben auch weitere Variablen für die inhaltliche Ausrichtung einiger Bundesparteien eingefügt und hoffen, so Wählerwechsel aufgrund von Parteipolitik im Bund gut abzubilden. Ebenso haben wir Protestdaten mit aufgenommen, von denen wir uns die Einbindung aktueller gesellschaftspolitischer Auseinandersetzung in unserer Vorhersage erhoffen.
Eine letzte Erneuerung stellt der Einsatz von neuronalen Netzen im Schätzen dar. Zwar ein Blackbox Algorithmus, doch gleichzeitig ein mächtiger Schätzer, der auch tieferliegende Beziehungen zwischen Variablen erkennen kann.
Was wäre das Leben ohne neue Herausforderungen
Es hat sich einiges im Maschinenraum unserer Vorhersage geändert, manches zum Guten, manches zum Schlechten. Was sich definitiv gebessert hat, ist die geografisch Ausbreitung unserer Vorhersage. So haben wir dieses mal nicht 50 Städte vorhergesagt sondern 110 Städte und Gemeinden aller Größenordnung.
1 thought on “Unsere Methodik zur Kommunalwahl in NRW”
Comments are closed.